Cae Gauntt
Was uns bleibt
Remakes
sind in. In der Kino-Welt sowieso. Mittlerweile auch in der
Serien-Landschaft. Und auch im Musik-Business ist es dank Leuten wie Tom
Jones, Kate Bush (auf "
Director's Cut"),
David Bowie und ungefähr jedem zweiten Schlager- und NDW-Star zu einem
Trend geworden, eigene Lieder nach Jahren noch mal neu aufzunehmen.
Nicht als Remix und nicht remastered, nicht als Live- oder
Unplugged-Version, sondern schlicht, um älteren Songs neues Leben
einzuhauchen. Ganz bewusst und mit großer künstlerischer und
persönlicher Hingabe.
So
hat es nun auch Cae Gauntt getan. Die zählt seit ihrem Debütalbum vor
24 Jahren zu den bekanntesten Künstlern einer kleinen, aber
verkaufsstarken so genannten christlichen Musikszene im
deutschsprachigen Raum. Außerhalb dieser Szene dürfte sie nur Kennern
bekannt sein, bspw. durch ihre mittlerweile zwölfjährige Mitwirkung an
Edo Zankis
Ausnahme-Supergroup "4 Your Soul", ihrer gesanglichen Unterstützung für
Nena, Pe Werner und Dieter Falk oder durch ihre Texte für "Supertalent"
Freddy Sahin-Scholl, Xavier Naidoo und Fool’s Garden. Auch wenn es für
die studierte Gesangslehrerin nie zum großen Durchbruch in Deutschland
kam, so wird sie doch von Kollegen sehr geschätzt, von Musikkritikern
hoch gelobt und von unzähligen Fans geliebt.
Jene Fans kontaktierte Cae im Sommer des letzten Jahres über Facebook,
ihren Blog und auf Konzerten und erzählte, dass sie Songs ihrer ersten
vier Alben (zwischen 1987 und 1994) vom Staub der Zeit befreien möchte.
Da sie ihre alten CDs selbst nicht mehr hört und sie auch nicht bewerten
will, überließ sie die Entscheidung, welche Titel neu eingespielt
werden sollten, ihren treuen Hörern. Die erzählten ihr, welche Stücke
sie am liebsten mochten, ihnen am meisten bedeuteten und warum. Von den
Reaktionen und vor allem den Geschichten, wie ihre Lieder Menschen
berührt, getröstet und gestärkt haben, war die heute 55-jährige Sängerin
und Texterin überwältigt: "
Ein solches Verstandenwerden geht tiefer und ist bedeutungsvoller als Verkaufszahlen und ausverkaufte Konzert-Säle."
Vielleicht wurde genau aus diesem Grund der Titel des CD-Projekts von
"Lifelines" in "Was uns bleibt" geändert. Während "Lifelines" den Blick
mehr auf die Künstlerin selbst und ihren Lebensweg lenkt (nicht zuletzt
weil sie Ketten, die sie gestaltet und verkauft, ebenso betitelt),
spricht der nun gewählte Albumtitel und das entsprechende Lied im Plural
von Menschen, denen das Leben etwas gab und gibt: Caes Lieder nämlich.
Und die waren der gebürtigen Texanerin im Gegensatz zu vielen anderen
Musikern schon immer genauso wichtig wie die Melodien und die
musikalische Umsetzung (Daher sind im Booklet auch alle englischen Songs
übersetzt). Denn sie will, dass ihre Lieder mehr als Lieder sind, dass
sie ein Band werden zwischen ihr und den Hörenden. Die Mutter zweier
Söhne und Frau eines Opernsängers möchte sich mitteilen, ihre
Erfahrungen, ihre Sicht auf Gott und die Welt. Und diese Sicht ist
sowohl auf Platte als auch in ihren Konzerten so bereichernd. Wenn sie
in "Hier" von Frustrationen, dem Wunsch nach Geduld und der Möglichkeit
der zweiten Chance singt, dann ist das real, ehrlich und damit tröstend.
Die gleiche Wirkung hat das darauf folgende Lied über den alltäglichen
Stress, die Überforderung und die daraus resultierende Scham, mit dem
sich bestimmt nicht nur Frauen identifizieren können. "Nichts verloren"
schlägt in eine ähnliche Kerbe wie der Titelsong, wenn es heißt: "
Du
bist leer, hast alles gegeben, gabst deine Kraft, deine Zeit. Nichts kam
zurück, noch nicht einmal Dankbarkeit. [...] Es geht nichts verloren,
wenn sich Liebe so verschenkt. Was du tust um Gottes Willen, davon geht
nichts verloren."
In den meisten ihrer Texte klingt ihr Glaube an Gott durch. Deutlich
merkt man, woher Cae Kraft in schwierigen Lagen nimmt und worauf sie ihr
Leben baut (siehe "Reaching Out"). Das kommt nie predigend rüber, im
Gegenteil: Es wirkt echt, offen und alles andere als oberflächlich.
Beeindruckend ist es da auch, wenn die Wahl-Badenerin in "Sehnsucht" Mut
zum Zugeben von Zweifeln hat: "
Suche meinen Platz, frage nach dem
Sinn. Weiß nicht, warum ich lebe. Spür nur, dass ich bin. Vielleicht ist
da ein Plan. Diese Sehnsucht tief in mir ruft nach einer Antwort, ruft,
oh Gott, zu dir."
Sehr einnehmend ist auch die Aussage von "All That I Am". Noch treffender als
Alanis Morissette in ihrem Hit "Everything" beschreibt die Sängerin hier all ihre Facetten: "
Somewhere
in here – small and frightened – is a child who can’t let go. Right
beside her is another trying hard to steal the show. There’s an awkward
timid woman, there’s a star of stage and screen. There’s a fiery
believer and a brazen libertine." Ein Text, so gut und wahr, dass
man ihn hier eigentlich komplett zitieren müsste, und so genial
gedichtet, dass er aus all den großartigen Lyrics ihrer
Veröffentlichungen noch mal heraus sticht. Bezaubern tut auch "Ruhiger
bei dir", das sie Eddie, mit dem sie seit 33 Jahren verheiratet ist (und
sogar gemeinsame Konzerte gibt), widmet: "
Nie warst du mir lieber, nie warst du mir näher. Bitte bleib bei mir! Ich spüre, mein Herz schlägt ruhiger bei dir."
Normalerweise schreibt Cae selbst, doch ab und an entdeckt sie Perlen
anderer Autoren, die sie dann gerne singt. Dieses weise Liebeslied
verfasste Marion Sitzmann, der Ehefrau von Florian Sitzmann, der schon
vor seiner Zeit bei den Söhne Mannheims Caes immens begabter Pianist,
Komponist und Produzent war.
Sitzmann ist nicht nur eins der größten Talente der deutschen
Musikszene, er kennt seine Kollegin und Freundin auch seit über zwanzig
Jahren und weiß ihre Stärken ganz genau einzusetzen. Sein Ziel war es,
Überproduktion und modische Spielereien zu vermeiden und stattdessen Cae
im Mittelpunkt stehen zu lassen, ihre Stimme und ihre geliebten Songs.
Die mussten natürlich vom Sound der 80er Jahre befreit werden, was
generell aufgrund neuer Arrangements, tieferer Singstimme und live
eingespielter Instrumente selbstverständlich funktioniert hat. Titeln
wie "Ein für allemal", "Ich steh zu dir" und "Reaching Out" hört man
jedoch einfach an, in welcher Zeit sie komponiert wurden. Alte Fans mag
das nicht stören, neue Hörer könnte es erstmal irritieren. Aber egal:
Das ist eben Cae. Konsequent steht "Ein für allemal" daher auch am
Anfang der Scheibe, denn textlich war er schon damals eine Art Rückblick
und musikalisch sicher eins der am schwersten zu transformierenden
Songs. Von seinem 80er-Jahre-Bombast wurde er befreit, klingt nun
erwachsener und damit etwas unspektakulärer, irgendwie nach "easy going"
und lässig.
Letzteres Adjektiv beschreibt überhaupt viele Titel der neuen CD. Auch
"Ich steh zu dir" und "Hier" haben diesen smoothen an Colbie Caillat
(Album: "
All of You)" und Jason Mraz (Album: "
We Sing. We Dance. We Steal Things.")
erinnernden Sound und wirken, als seien sie im Wohnzimmer von einer
Gruppe jammender Musikerfreunde spontan eingespielt. Und so ähnlich war
es ja auch: Keiner der Begleitmusiker kannte die alten Songs und so
konnte jeder selbst Arrangements entwickeln und live einbringen. Florian
hat so sein Ziel erreicht: Das ganze klingt "down to earth", zeitlos
und lässt viel Raum um mit instrumentalen Veränderungen und kleinen
gesanglichen Akzenten anders und trotzdem (oder nun erst recht?)
charmant zu klingen. Einzig "Reaching Out" verliert eindeutig im
Vergleich mit der alten Ausgabe. Zu gut war einfach der Gospel-Touch und
Helmut Josts Background Vocals im Speziellen... Der unterstützende Chor
in der 2011er Fassung klingt da schlicht zu banal.
Mrs. Gauntt scheint sich in diesen neuen Versionen pudelwohl zu fühlen,
man sieht sie regelrecht mit einem Lächeln an den Barhocker lehnend
singen. Ihr großes Stimmpotential kann sie anders als in den Originalen
wegen der neuen Arrangements aber nicht mehr komplett rauslassen – dazu
sind auf "Was uns bleibt" die ruhigen, langsameren Stücke da. Vor allem
in "Nichts verloren" powert sie so wie es damals ihr Markenzeichen war,
singt gleichzeitig aber so gefühlvoll wie sie es erst im letzten
Jahrzehnt perfektioniert hat. So als reines Duett mit dem Flügel hat sie
das Stück schon seit Jahren im Live-Programm. In "The Rescue", das es
bisher noch gar nicht als Studioaufnahme gab, wurde Cae live immer nur
von einem Gitarristen begleitet. Hier wird sie anfangs nur vom Klavier
unterstützt bis dann am Ende das German Pops Orchestra einsetzt und der
Nummer gemeinsam mit Caes tiefem, "erdigem" Gesang das See-Feeling
verpasst, das es textlich bereits hat – stimmig gemacht! Auch das
Neuarrangement von "Every Star" unterstreicht den Text:
Königwerq-Frontfrau Dania Königs liebliche zweite Stimme wirkt
tatsächlich engelsgleich und ist damit die perfekte Ergänzung für dieses
einfache Wiegenlied. Die einstige Klavierballade "Sehnsucht", ein Cover
von Michael W. Smiths US-Top-10-Hit "Place In This World", wurde mit
einer Parallelmontage einer alten Kirchenhymne bestückt – ein
Stilmittel, dass Florian Sitzmann schon des Öfteren im
Classic-meets-Pop-Programm von Catherine Ellen und ihrem Mann eingesetzt
hat.
Als Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und – so Cae – "
weil wir einfach nicht anders können",
finden sich drei neue Stücke auf ihrem neunten Soloalbum. Musikalisch
könnten die auch vom brillanten Vorgänger "Petrographs" stammen:
"Ruhiger bei dir" strahlt eine Ruhe aus wie damals "Unten am Fluss",
"Godspeed" ist ein souliger und spielfreudiger Ohrwurm und "All That I
Am" ist mit zarten Percussion und singender E-Gitarre als Refrain-Ersatz
irgendwo dazwischen anzusiedeln. Sie machen unheimlich Lust auf Album
Nr. 10 mit komplett neuem Material.
Fazit
Aus Alt wurde nun Neu. Schätze wurden als solche erkannt und als
Dankeschön zurückgegeben. Bewährte Lieder wurden um ihren Kern herum neu
eingekleidet und passen Cae Gauntt nun wieder. Sogar zur alten
Handhabe, sich ohne Nachnamen schlicht "Cae" zu betiteln, wurde
zurückgekehrt. Jene Dame berichtet nun, sie habe sich bei den Aufnahmen
neu in die Titel verliebt. Das kann auch den Hörern passieren. Eine der
besten Stimmen unseres Landes, geschickte akustische Arrangements und
tiefgehende und erfrischende Texte machen diese neun Remakes zu einer
Herzensangelegenheit und gemeinsam mit drei neuen Werken das Album
absolut gewinnbringend und existenzberechtigt.
Anspieltipps
Ich steh zu dir
Every Star is a Prayer
All That I Am
Godspeed
Nichts verloren
Artistpage
CaeGauntt.de
Tracks
| 1. |
| Ein für allemal |
|
| 2. |
| Hier |
|
| 3. |
| Ich steh zu dir |
|
| 4. |
| Ruhiger bei dir |
|
| 5. |
| Sehnsucht |
|
| 6. |
| The Rescue |
|
| 7. |
| Reaching Out |
|
| 8. |
| Every Star is a Prayer |
|
| 9. |
| All That I Am |
|
| 10. |
| Godspeed |
|
| 11. |
| Nichts verloren |
|
| 12. |
| Was uns bleibt |
|
Micha J. - myFanbase
20.10.2011